Clubhouse — Für Brands oder Friends?

In den vergangenen Tagen und Wochen hat das neue soziale Netzwerk Clubhouse für ordentlich Gesprächsstoff gesorgt — von Euphorie bis Abwertung war alles dabei. Die Stimmen, die glauben, das Phänomen Clubhouse löse sich in Luft auf, irren — die Kombination aus Audio und Social Network trifft den Zeitgeist zu gut, um einfach wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Höchste Zeit also, sich Gedanken über die Möglichkeiten und Grenzen der Markenbildung auf Clubhouse zu machen.

Datum
02.02.2021

Themen
#Social Media

Autor:in
Julia Koehler

Audio goes Social — der Ursprung des Hypes

Audio liegt im Trend. Immer mehr Menschen genießen die Vorzüge des Audio-Formats, das sich einfach in den Alltag integrieren und die parallele Nutzung anderer Apps zulässt. Während die Zahl neuer Podcasts in den vergangenen Monaten rasant anstieg, trifft nun Clubhouse auch den Nerv der Zeit und verbindet die Vorzüge von Audio-Content mit den Bedürfnissen nach sozialer Interaktion und Networking.

Die Nutzung ist äußerst bequem, da man die App im Hintergrund laufen lassen und währenddessen parallel andere Dinge tun kann. Ein riesiger Vorteil, der sich definitiv positiv auf die (teils ausufernde) Nutzungsdauer auswirkt. Darüber hinaus ist Clubhouse ein Ort, der sich ideal für privates und professionelles Networking eignet. Vielseitig und unkompliziert kann man sich in einem Raum über Privates und Persönliches unterhalten, während im nächsten die eigene Expertise zu einem bestimmten Thema gefragt ist und man sich plötzlich in einem Businesskontext wiederfindet.

Klar ist: Die App bietet die Möglichkeit, sich über räumliche Grenzen hinweg mit Menschen mit gemeinsamen Interessen zu vernetzen. Dadurch, dass man im Profil direkt Instagram- und/oder Twitter-Profil verlinken kann, wird auch eine dauerhafte, unkomplizierte Verbindung außerhalb von Clubhouse ermöglicht.

Insbesondere die Pandemie-bedingten Kontaktbeschränkungen befeuern den Erfolg von Clubhouse zusätzlich. Es gibt einen riesigen Gesprächsbedarf und einen Wunsch nach Austausch mit (Un-)Bekannten. Clubhouse macht Menschen noch nahbarer — plötzlich hat man die Gelegenheit, mit einer bekannten Persönlichkeit in einem Raum zu sein, sich zu Wort zu melden, live eine Frage zu stellen und in den direkten Austausch zu gehen.

Perfekte Bühne für bereits etablierte Personenmarken

Für Unternehmen stellt sich in Bezug auf Clubhouse vor allem die Frage: Welche Möglichkeiten bietet Clubhouse für die Positionierung von Marken? Ist die aktive Präsenz auf Clubhouse ab jetzt ein Muss?

Um hierauf eine definitive Antwort zu geben, ist es noch sehr früh. Wie bei allen sozialen Netzwerken, wird auch bei Clubhouse die Veränderung die einzige langfristige Konstante sein, so viel ist sicher.

Ob Clubhouse künftig auch Werbung integrieren oder bestimmte Funktionen kostenpflichtig anbieten wird, ist noch nicht bekannt. Das heißt, zumindest vorerst wird es für Marken keine direkten Werbemöglichkeiten geben. In anderen sozialen Netzwerken kommunizieren Marken ihre Produkte und Dienstleistungen bisher vor allem über starke Bilder und Text an Endkonsument:innen— ein verbreitetes Konzept aus Content-Formaten, deren Monetarisierungsmechanismen über Ads und Influencer:innen sehr eingespielt sind. Wie kann ein „Audio only“ Social Network daran anknüpfen?

Fest steht: Eine Möglichkeit zur Personalisierung sucht man bei Clubhouse vergebens. Nur in der eigenen Bio, dem Titel und der Beschreibung von Räumen können kurze Texte hinzugefügt werden. Hinzu kommt, dass der Content noch kurzlebiger ist als die 24-Stunden Story-Funktion auf Instagram. Das bedeutet: Man ist entweder live dabei — oder gar nicht (FOMO lässt grüßen).

Clubhouse eignet sich also vor allem für personenkonzentrierte Darstellung — mit allen Vor- und Nachteilen für Marken. Während der Pandemie ist der Wunsch nach persönlichem Austausch und Kommunikation zu Themen, die beschäftigen, stark gestiegen. Das lässt sich auch im Consumer:innen-Bereich sehen, wo Storytelling und Influencer:innen Relations die persönlichen Vorlieben und Empfehlungen noch weiter zum Kauf anregen. Personenkonzentrierte Reichweiten werden daher 2021 und auch darüber hinaus entscheidend beeinflussen, welche Marken gehört werden und welche nicht. Für Marken, die diese Anforderung erfüllen können und bereits ein starkes Gesicht nach außen etabliert haben, ist das eine große Chance.

Clubhouse und Marketing: Friend or Foe?

Bisher ist die Nutzung von Clubhouse absolut darauf ausgelegt, als reale Person aufzutreten. Und von vielen Nutzenden wird das auch explizit so gewünscht. Wenn es um die Sinnhaftigkeit und Effizienz von gezieltem Marketing auf der Plattform geht, kommt es daher stark auf Branche und Marke an. Sicherlich gibt es hier mehr und weniger geeignete Marken: Für Speaker:innen oder andere Menschen, die sich als Personenmarke positionieren, ist Clubhouse auf jeden Fall bestens geeignet.

Grundsätzlich eignen sich alle Formate ideal für Clubhouse, die normalerweise als Panel stattfinden würden, und sind dabei kostengünstiger, spontaner durchführbar und vor allem Covid-freundlich. Der Trend zur Verknüpfung von analogen und digitalen Events hatte sich bereits seit längerem angedeutet und wurde durch Corona beschleunigt — Clubhouse stellt nun die geeignete Plattform bereit. Auch Podcast-ähnliche Formate passen perfekt auf die Plattform und von vielen wird sie bereits so genutzt, kann man sich doch einfach zu einem Raum dazu schalten und Gesprächen lauschen, während man anderen Aktivitäten nachgeht.

Einige Marken, wie zum Beispiel das t3n-Magazin oder Viva con Agua, kann man bereits auf Clubhouse beobachten (beziehungsweise hören). Auch andere Marken, die bereits im Segment Podcast vertreten sind, können Live-Sessions via Clubhouse mit anschließendem Q&A oder Diskussionsrunde testen.

Kann man den Erfolg messen?

Da es sich bei Clubhouse extrem leicht von Raum zu Raum wechseln lässt, ist definitiv die Verweildauer des:der einzelnen Nutzer:in ein geeigneter Indikator dafür, ob ein Talk der Audience einen Mehrwert bietet. Tatsächlich ist diese qualitative Analyse die bislang einzig mögliche Form des Reportings: Eine automatisierte, integrierte Reporting-Funktion, die relevante Kennzahlen wie die durchschnittliche Verweildauer über die gesamte Gesprächsdauer trackt, gibt es bisher nicht. Indikatoren in konkreten Zahlen sind aktuell auf Teilnehmer:innen-Anzahl und gegebenenfalls noch die hinzugewonnenen Follower:innen während eines Talks begrenzt. Das Ziel, um das es bei Kommunikationsformaten auf Clubhouse gehen sollte und das messbar gemacht werden kann, ist daher eindeutig ein aktives Community-Management und allgemeines Brand-Engagement.

Lohnt es sich, zu bleiben?

Clubhouse trifft definitiv den Nerv der Zeit und wurde auch durch die Pandemie schnell als willkommene Ergänzung zu den sonst eher bild- und textlastigen Social Networks begrüßt.

Marken müssen für sich die Chancen den Risiken gegenüberstellen, gerade in Sachen Datenschutz wirft Clubhouse elementare Fragen auf. Gleichzeitig stehen für 2021 viele Entwicklungen der App, sowohl technisch als auch inhaltlich, bevor. Es lohnt sich also, abzuwarten und die App inzwischen privat gründlich durchzutesten, um langfristig die Potenziale für Unternehmen und Marken besser abschätzen zu können. Mit der Zeit wird sich zeigen, welche Zielgruppe die App langfristig nutzt, welche strategisch nutzbaren Funktionen hinzukommen und wie man die App im Hinblick auf den ROI monetarisieren kann.

Mindestens einen weiteren Blick lohnt der Moment, in dem auch Android-User die Möglichkeit zur Nutzung bekommen. Dass Clubhouse ein Game Changer ist, ist unbestritten, denn die „Audio only”-Funktion vermittelt eine vollkommen neue Perspektive und Nutzung von Social Media. Ob sich die App jedoch langfristig die Aufmerksamkeit ihrer Nutzer:innen sichern kann, wird von mehr abhängen als einem erfolgreichen Markteintritt — auch wenn ich persönlich als Digital Native, Marketing Professional und begeisterter Early Adopter wirklich sehr begeistert bin.