Leise Führung, Reflexion und Sicherheit: Was unseren Teams hilft, auch in der Krise leistungsfähig zu sein

Mehr als sieben Wochen sind vergangen, seitdem wir unsere Zusammenarbeit in den virtuellen Raum verlegt haben. An sich nicht neu für uns, aber die Kombination aus Intensität (ausschließlich virtuell) und Bedingungen (unter großer, teilweise sehr persönlicher Verunsicherung) hat uns dazu bewegt, genauer hinzuschauen, um zu verstehen, was uns dabei hilft, die Leistungsfähigkeit unserer Teams in die virtuelle Welt zu übertragen.

Datum
06.05.2020

Autor:in
Tristan Ricken

Unser Ansatz

Bereits vor der Krise gab es viel zu lesen über die Effektivität virtueller und remote arbeitender Teams. Seitdem kommen Berge von Artikeln zum Thema New Work und Tipps zur Steigerung der individuellen Produktivität im Homeoffice hinzu. Weit weniger gibt es darüber zu lesen, wie sich die Krise auf uns als Individuen auswirkt, was die Verunsicherung einzelner Personen mit Interaktionsprozessen innerhalb des Teams macht — und wie sie sich auf deren Leistungsfähigkeit auswirkt.

Unser Beratungsansatz beruht auf der Überzeugung, dass jede Organisation einzigartig ist und damit spezifische Lösungen braucht. Deshalb soll dieser Einblick in unsere Welt und Kultur vor allem als Inspiration und Einladung verstanden werden, sich mit den eigenen Stärken und der eigenen DNA auseinanderzusetzen, beides sinnvoll einzusetzen und so den Weg aus der Krise zu finden.

Um zu verstehen, was uns hilft, die virtuelle Teamarbeit in dieser Krisensituation zu stärken, haben wir uns mit Dr. Raphael Bömelburg von Universität St. Gallen zusammengetan, einem Experten zu den Themen Innovationskultur und New Work. Auf Basis bereits etablierter Forschungsbefunde, aktueller Trends und neuer Ansätze sowie Expert:inneninterviews haben wir gemeinsam ein Modell entwickelt, das die Erfolgsfaktoren virtueller Zusammenarbeit unter Unsicherheit beschreibt und die Grundlage unserer Analyse bildet.

Unsere Hoffnung ist, dass dies auch anderen hilft, Erfahrungen aus der Krise nachhaltig im Unternehmen zu verankern und gestärkt in die Zukunft zu starten.

Unsere Ergebnisse im Detail

In unserer Organisation dreht sich bereits im Normalbetrieb viel um Vertrauen und Selbstorganisation, um Kreativität, Risikobereitschaft und Experimente, um Dezentralität, Mitbestimmung, um Agilität und Schnelligkeit. Unsere Analysen zeigen, dass es genau diese kulturellen und sensiblen Elemente und Einflussfaktoren sind, die uns auch jetzt erfolgreich arbeiten lassen.

Die Erfolgsfaktoren unserer virtuellen Zusammenarbeit im Detail:

1. Die Reflektionsfähigkeit des Teams ist bei uns der stärkste Treiber erfolgreicher, virtueller Zusammenarbeit

Die Reflektionsfähigkeit des Teams beschreibt in unserem Modell, in welchem Ausmaß das Team evaluiert und reflektiert, wie gut die Arbeitsweisen und Zielsetzungen in Anbetracht aktueller Entwicklungen funktionieren. Auf den ersten Blick ist dieser Befund aus unseren Analysen nicht wirklich überraschend. Für uns ist er jedoch umso wertvoller, als die Teamreflexion ein sehr gut zu beeinflussender Hebel ist, der von Teamleader:innen und -mitgliedern bewusst eingesetzt werden kann.

Und auch die Organisation hat starken Einfluss darauf, diese Reflexion durch Initiativen und Formate in die Routinen der virtuellen Arbeit übergehen zu lassen, etwa durch passende Routinen & Methoden, mit denen Arbeitsweisen in regelmäßigen Abständen hinterfragt und angepasst werden können.

Eine realistische und dynamische Diskussion über Ziele sowie Art und Weise, diese zu erreichen, hilft, die Effektivität der Zusammenarbeit bewusst nachzuhalten und Maßnahmen einzuleiten, sollten bestimmte Ansätze nicht mehr zu neuen Entwicklungen passen.

Was unsere Daten auch zeigen: Teamreflexion wird bei uns vor allem durch den wahrgenommenen Zusammenhalt im Team getrieben. Je stärker das Gefühl der Einigkeit und der Gemeinsamkeit im Team, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Teammitglieder über ihre Arbeitsweisen und Ziele reflektieren. Dass wir flexibel sind, hängt also vor allem damit zusammen, dass es genug Grundvertrauen gibt, dass eine Umstellung immer im Sinne des Teams geschieht. Das stärkt uns auch in der aktuellen Situation, in der immer wieder kurzfristige Anpassungen nötig sind.

2. Wir brauchen Kreativität und Freiraum sowie den informellen (virtuellen) Austausch

Der zweite große Erfolgsfaktor ist die wahrgenommene psychologische Sicherheit innerhalb der Teams. Nach der Veröffentlichung von Googles großer Teamstudie ist auch das kein überraschender Befund. Für uns sind hier aber vor allem die Treiber dieses Sicherheitsgefühls interessant: Führungskräfte stärken das Sicherheitsgefühl, indem sie Raum für Kreativität und Ideen schaffen und beides gezielt einfordern.

Das ist gerade in der aktuellen Situation nicht selbstverständlich, in der Manager:innen geneigt sind, die Zügel straffer zu ziehen und lieber mehr als weniger Kontrolle zu haben.

Unser Beispiel zeigt: Freiraum kann helfen, als Team auch in Stresssituationen bestmögliche Leistung zu zeigen, weil wir so vielleicht doch noch auf die ein oder andere Idee/ Lösung kommen, die uns noch ein kleines Stück besser macht. Je mehr uns vertraut wird und wir dazu ermutigt werden, auch in der aktuellen Situation kreativ zu werden und unsere Routinen zu hinterfragen, desto sicherer fühlen wir uns — und desto besser wird die Leistung unserer Teams.

Der zweite große Treiber der wahrgenommenen Sicherheit ist die informelle Kommunikation im virtuellen Raum. Wenn wir es schaffen, die Treffen, die vorher an der Kaffeemaschine stattgefunden haben, auch jetzt zu bewahren, hilft uns das bei der eigentlichen Teamarbeit.

Unbewusst haben wir als Organisation zu Beginn der Krise „Spaßnahmen“ ergriffen, um diesen informellen Austausch am Leben zu halten. Wir ermutigen unsere Mitarbeiter:innen, gemeinsam einen virtuellen Kaffee oder das Feierabendbier zu trinken. Auch virtuelle „Cooking-Sessions“ mit unserem CEO waren Formate, die scheinbar nicht nur gut für die allgemeine Laune sind.

Um diesen informellen Austausch weiter zu verankern, gibt es zudem eigene Slack Channel, in denen das Team sich zu allem austauschen kann, was jenseits der aktuellen Arbeitsaufgaben liegt. Virtuelle Challenges, etwa die Zuordnung von Kühlschränken und Bücherregalen, helfen nicht nur, sich besser kennenzulernen, sie erhöhen auch die wahrgenommene Sicherheit und steigern damit die Teamleistung.

3. Leise Führung funktioniert für uns am besten

Bei der Konzeption unserer Analysegrundlage haben wir sehr viel darüber diskutiert, welche Art der Führung es gerade braucht und wie sie Teams dabei unterstützen kann, Krisen zu meistern. Die Ergebnisse zeigen, dass ein „leiser“ Führungsstil für uns gerade wichtiger ist als große Visionen für die Zeit nach Corona. Es ist wichtiger, dass auch Führungskräfte gerade offen kommunizieren, dass sie nicht alle Antworten haben und das Team dazu ermuntern, gemeinsam nach Wegen durch die Krise zu suchen.

Woran liegt das? Zum einen stärkt es das Team, wenn einzelne Mitglieder und gerade Führungskräfte Unwissenheit und Fehlbarkeit offen zeigen. Dadurch wird dem Team vermitteln, dass Fehler und Wissenslücken Teil des Arbeitsalltags sind und Chancen bieten, dazuzulernen. Das gibt Raum, Risiken einzugehen und sich gegenseitig zu vertrauen.

Darüber hinaus beinhaltet dieses Führungsverhalten aber auch noch eine wesentliche motivierende Komponente, die Mitarbeiter:innen dazu anregt, sich einzubringen. Es wird vermittelt: Wir sitzen alle im selben Boot sitzen und jeder kann seinen Beitrag leisten und Ideen liefern, damit es vorwärts geht. So kann dem Team der Raum und das Vertrauen gegeben werden, die Krise als Chance zu nutzen, über sich hinauszuwachsen.

Unser Ausblick

Sicherlich verdeutlicht gerade der letzte Punkt am besten, wie individuell die Erfolgsfaktoren für jede Organisation in der jetzigen Situation ausgestaltet sein können. Es gibt sicherlich viele Teams, bei denen es gerade wichtig ist, ihnen eine Vision und Sicherheit zu vermitteln, um über sich hinauswachsen zu können — und für die unsere “leise Art der Führung” nicht gut funktionieren würde.

Wir haben viel über uns gelernt und verstanden, was für uns in der Krise funktioniert. Aber wir sind sicher, dass unsere Erkenntnisse auch anderen Unternehmen helfen können, durch die Krise zu kommen. Deshalb wollen wir unsere Teamergebnisse weiter auswerten und Maßnahmen ableiten, die die Leistungsfähigkeit unserer Teams — aber auch die von Partner:innen und Kund:innen — stärken und fördern.

Wenn Sie mehr über unseren Ansatz und unser Tool zur Messung und Analyse der Team Effektivität wissen wollen, melden Sie sich gerne bei uns.

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Tristan Ricken ist Consultant bei TLGG Consulting