Returning the favor (5): Web3/NFT-native Loyalty-Ansätze und -Mechanismen

Bonus- und Vorteilsprogramme können ein effektives Instrument zur Förderung der Kund:innentreue sein. Unsere Blog-Serie dreht sich um aktuelle Trends und Strategien im Loyalty-Markt und zeigt auf, wo Marken am besten ansetzen können, um ein erfolgreiches Loyalty-Angebot für ihre Kund:innen aufzubauen.


NFTs, oder auch Digital Collectibles, ermöglichen erstmalig die Einbindung digitaler Güter in Loyalty-Programme. Um den Wert dieser neuen Vorteilsklasse zu verstehen, lohnt sich zunächst ein Blick auf den NFT-Markt beziehungsweise Web3-native Projekte und die Rolle, die Loyalty für den Erfolg von Projekten in diesem Bereich spielt.

Datum
12.06.2023

Themen
#Handel
#Web3

Autor:in
Dinara Rosow & Dr. Tristan Ricken

Zeitpunkt und Dauer der Kund:innentreue

NFTs ermöglichen sowohl auf Ebene der incentivierbaren Aktivitäten als auch auf Ebene der Belohnung selbst neue Formen des Kund:innen-Engagements, die im physischen Raum nicht existierten. So wird es mit NFTs erstmalig möglich, Unterstützer:innen dafür zu belohnen, dass sie ein Projekt besonders früh erkannt und unterstützt haben – und diesem auch langfristig treu geblieben sind. So wird nicht nur reine Kund:innentreue belohnt, sondern auch ein von außen erkennbarer „Expert:innenstatus” vermittelt. Die Fähigkeit von Kund:innen, ein Projekt frühzeitig als potenziell langfristigen Erfolg erkannt zu haben, lässt sich nun ablesen. Kund:innen für ihren frühen Spürsinn zu belohnen, kann wiederum andere Kund:innen dazu incentivieren, sich frühzeitig mit neuen Projekten und Produkten auseinanderzusetzen. 

Künstliche Verknappung

Eine weitere Möglichkeit, wie NFTs neue Formen von Loyalty-Wert schaffen, ist der Mechanismus der künstlichen Verknappung. Bei physischen Produkten ist dies beispielsweise im Bereich Streetware ein etablierter, sehr effizienter Wertsteigerungshebel. NFTs ermöglichen per Definition genau das: Die Verknappung digitaler Güter. Da es in der Regel nur eine limitierte Anzahl bestimmter NFTs auf dem Markt gibt, lässt sich ein „FOMO“-Effekt (Fear Of Missing Out), also eine besondere Begehrlichkeit, kreieren. Das steigert den Wert der Güter auf dem Zweitmarkt.

Zugang zu exklusiven Angeboten

NFTs lassen aber nicht nur den digitalen Besitz regeln: Sie ermöglichen auch, auf einfache Art und Weise den Zugang zu digitalen Communities, Events oder Produkt-Launches zu regulieren. Wenn bisher Halter:innen bestimmter Autos nachweisen mussten, dass ihnen ein Fahrzeug tatsächlich gehört und dass sie dieses zu einem bestimmten Zeitpunkt erworben haben, können NFTs solche Informationen einfach abbilden und auswertbar machen. Diese Informationen können dann als Voraussetzung für die Teilnahme an einem Event oder Verkauf genutzt werden. 

Um die beschriebenen Mechanismen besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf aktuelle Projekte aus dem NFT-Space. Viele davon sind nach dem Prinzip „Loyalty first“ konzipiert und bieten viel Inspiration.  

1. Exklusive Produkt-Drops für NFT-Holder

Yuga Labs hat es mit seinem Bored Ape Yacht Club kontinuierlich gezeigt, wie Halter:innen der Yuga Assets für ihre Treue belohnt werden und immer mehr Assets aus dem Ökosystem bekommen, wenn sie weiterhin Tokenholder und damit Teil des Ökosystems bleiben. Entsprechend attraktiv und teuer werden die meisten NFTs aus dem Yuga-Ökosystem mittlerweile gehandelt. Andere Beispiele wie die MemeCards von 6529 oder die Plattform Deca.art sind weitere Projekte, die zeigen, wie Halter:innen bestimmter Token für ihr Engagement und ihre Unterstützung belohnt werden. In beiden Fällen gibt es regelmäßige Verlosungen von NFTs, die in Kollaboration mit etablierten Künstler:innen entstanden sind. Oft erhalten Halter:innen auch exklusiven Zugang zu diesen neuen Drops. Die Verlosungen zeichnen sich in beiden Fällen durch klare Voraussetzungen und Regeln aus, was Transparenz schafft und für eine hohe, wahrgenommene Fairness bei den Teilnehmer:innen sorgt. Mittels Automatisierungen und Tools können dann mit minimalem Aufwand Gewinner:innen ausgelost oder Wallets identifiziert werden, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen und somit Zugang zur Verlosung erhalten. Durch die Gestaltung entsprechender Voraussetzungen in Kombination mit einem attraktiven Gewinn kann das Engagement der Teilnehmer:innen stark gesteigert werden.  

2. Early Access zu Produkt-Drops und Sales:

Wenn man sich anschaut, was Kund:innen an Loyalty-Programmen besonders wichtig ist, dann hat der exklusive oder frühzeitige Zugang zu Produkten und Rabattaktionen einen hohen Stellenwert. In einer globalen Marktumfrage gaben über 50 Prozent der Teilnehmenden an, dass sie sich von einem Loyalty-Programm einen früheren Zugang (Early Access) zu Rabattaktionen und zu neuen Produkten wünschen (The state of brand loyalty 2021, yotpo report). Beides wird durch NFTs noch leichter operationalisierbar: Mittlerweile gehört es zum Marktstandard, dass in den ersten Verkaufsphasen neuer Drops nur bestimmte Wallet-Adressen zugelassen werden. Für Interessierte, die noch nicht auf der Zugangsliste des Projekts stehen, ergibt sich somit selten die Möglichkeit am Primärverkauf neuer Drops teilzunehmen. Diese Art des „Token-Gatings“ schwappt langsam auch in den klassischen E-Commerce über. Beispielsweise hat das Projekt Doodles angekündigt, einen token-gated Webshop zu eröffnen. Dies geschieht in Kooperation mit Shopify, was bedeutet, dass diese Art der Zugangsregulierung bald auch für andere Webshops integrierbar werden könnte.  

3. Zugang zur Projekt-Community

Auch der Zugang zu bestimmten Communities und der Austausch innerhalb dieser kann einen starken Anreiz bieten, einer Marke oder einem Projekt treu zu bleiben. Vieles davon sehen wir aktuell bereits in großem Ausmaß im NFT-Space. Projekte wie WAGMI United treten zunehmend auch in Richtung Fashion in Erscheinung und zeigen, wie man NFT-native Elemente nutzen kann, um der eigenen Community Vorteile zu verschaffen oder den Zugang zu Produkten für diese exklusiv zu halten. Der englische Fußballclub Crawley Town hat exklusiv für Tokenhalter:innen Trikots und Fan-Accessoires produziert und an diese vergeben. Dieses Modell könnte auch für eine Vielzahl anderer Marken spannend werden. Exklusivität spielt eine immer größere Rolle, da sie dem Wunsch vieler Personen entspricht, sich abzugrenzen und einem individuellen Status Ausdruck zu verleihen. Auf der anderen Seite ist es zahlreichen Personen wichtig, ihre Zugehörigkeit zu Communities nach außen zu tragen. Marken haben mit solchen Communities eine dankbare Zielgruppe, wie sich beispielsweise im Fall von Adidas und dem Bored Ape Yacht Club gezeigt hat.  

4. Neue Möglichkeiten der Kund:inneninteraktion mit Marken

NFTs ermöglichen neue Engagement-Formen mit der Marke beziehungsweise dem Projekt. Das Beispiel Deca.art zeigt, wie Teilnehmende zu einer täglichen Interaktion mit der Plattform angeregt werden: Die Sammler:innen der Decagon-Token halten ein Kunstwerk eines etablierten Künstlers, das sich durch das Engagement mit der Plattform stetig weiterentwickeln lässt. Unterschiedliche Aktivitäten der Nutzer:innen werden mit so genannten DGX-Punkten belohnt. Eine bestimmte Anzahl dieser Punkte ist nötig, um das Kunstwerk auf die nächste Stufe zu entwickeln.  

Das Engagement der Nutzer:innen auf der Plattform wird zudem bei Verlosungen für dezidierte Artist Drops und den Zugang zu diesen berücksichtigt, sodass die Nutzer:innen einen starken Anreiz haben, mit der Deca-Plattform zu interagieren und Teil der Community zu sein. Spannend ist hierbei vor allem, dass Nutzer:innen durch einen Gamification-Ansatz, der sich in kleinen Tages-Quests zeigt, einen Anreiz bekommen, tagtäglich mit der Plattform zu interagieren. Funktioniert Engagement mit Kund:innen aktuell noch durch den üblichen Kanal-Mix aus E-Mail-Newsletter, Social Media, Push Notifications, und ähnlichem, wird im Fall Deca ein funktionierender Gamification-Ansatz eingesetzt, um das tägliche Engagement der Nutzer:innen mit der Plattform zu focieren. 

Obwohl Gamification für viele Loyalty-Programme eine lang gehegte Hoffnung war, das Engagement der Kund:innen mit der Marke nicht nur zu erhöhen, sondern auch zu vertiefen, konnten bisher kaum Marken und Unternehmen eine wirklich sinnvolle Integration umsetzen. NFT-native Projekte wie Deca zeigen, wie es gelingen kann, neue Mechanismen des Engagements zu etablieren. Durch das gesteigerte Engagement entsteht eine positive, emotionale Bindung zur Marke oder Plattform, was bisherige Loyalty-Ansätze nur selten in diesem Ausmaß schaffen.  

NFTs / Digital Collectibles & die Ausgabe digitaler Güter

Durch Einbindung von besitzbaren, digitalen Gütern in Form von NFTs (oder auch Digital Collectibles) in bestehende Loyalty-Programme lässt sich das Angebot zum Einlösen der gesammelten Punkte erweitern.  Sie ermöglichen neue Formen der Programmausgestaltung und können bisherige Limitationen überwinden. Die Coffeeshop-Kette Starbucks hat angekündigt, die Ausgabe digitaler Güter in ihr Vorteilsprogramm zu integrieren. Dadurch werden neue Touchpoints und Engagement-Möglichkeiten mit den Programm-Teilnehmer:innen geschaffen. Ein weiteres Beispiel ist der IWC Diamond Hand Club, ein Web3-Club, der IWC-Tokenholdern exklusiven Zugang bietet. Zusätzlich wird das Halten der Token durch die Freischaltung von zusätzlichen Benefits incentiviert. IWC belohnt die Treue der Token-Halter:innen, was die Attraktivität der Mitgliedschaft erhöhen kann und nimmt somit auch Einfluss auf die Wertentwicklungen auf dem Sekundärmarkt. Das Besondere in dabei ist, dass IWC potenziell in der Lage ist, durch das Festsetzen prozentualer Lizenzgebühren selbst von den Weiterverkäufen der Token zu profitieren. Programm-Initiatoren bieten sich somit neue Möglichkeiten, an solchen Angeboten selber auch zu verdienen. Sie haben viele Ausgestaltungsansätze an der Hand, um diese Angebote attraktiv zu machen, was wiederum in einer Wertsteigerung der Token resultieren kann.   

Digital Collectibles in unterschiedlichen Formen, von POAP-Badges (Proof of Attendance Protocol Badges, die für den Besuch von Events in Form von NFTs ausgegeben werden) bis hin zu digitaler Kunst, können für Programmteilnehmer:innen einen großen Eigenwert haben. Sie erfreuen sich derzeit als  digitale Statussymbole zunehmender Beliebtheit und können immense Wertsteigerungen erfahren. Was früher für Fans der Marken ein Hard Rock Cafe T-Shirt aus unterschiedlichen Städten oder eine bestimmte Starbucks-Tasse war, könnte zukünftig ein POAP-Badge sein. Der Unterschied liegt darin, dass die Tassen im Schrank nur ein paar Gäste im Jahr sehen werden, während POAP-Badges im digitalen Raum und in Social-Media-Profile eingebunden werden können und als digitale Sammelstücke eine ungleich höhere Reichweite bekommen. Halter:innen kann dann ein entsprechender Status kommuniziert oder eine sonstige Möglichkeit der Selbstdarstellung für Personen im digitalen Raum einhergehen. Die digitale Ausgabe dieser Erinnerungsstücke ermöglicht aber auch, die Erinnerung an das Erlebte besonders für die Teilnehmenden aufbereiten und gestalten zu können. 

So können neue Formen der Interaktion mit der eigenen Marke entstehen und Kund:innen eine intrinsische Motivation aufbauen, mit der Marke und ihren Touchpoints zu engagen oder zu bestimmten Events zu erscheinen. Die Attraktivität bestimmter Vorteile kann durch ihre Tokenisierung erhöht werden. Beispielsweise könnten Kund:innen noch eher bereit sein, einen bestimmten Status zu erhalten, wenn sie diesen flexibel eintauschen oder verkaufen können. Ein HON/ Senator-Status im Miles & More Programm hat einen Wert, die Möglichkeit diesen am Markt zu realisieren, würde die Attraktivität der Erreichung dieses Status weiter steigern und durch die Festsetzung von Royalties auf den Verkauf weitere Einnahmen für die Programmadministratoren generieren. Möglich ist aber auch die Ausgabe sogenannter Soulbound-Token, also einzigartige Token, die nicht-übertragbar bzw. handelbar sind und einen eindeutigen digitalen Nachweis aufbringen, dass eine Person eine bestimmte Voraussetzung erfüllt. 

AirBaltic macht vor, wie die Einbindung von NFTs in das Loyalty-Programm aussehen kann: Neben der Ausgabe von NFTs mit Kunstwerken zu verschiedenen lettischen Städten hat AirBaltic eine eigene 10.000er NFT-Kollektion (Planies) herausgebracht und plant, diese in das eigene Loyalty-Programm zu integrieren. Kund:innen, die ihre Planies staken (also für einen bestimmten Zeithorizont weggeben/ sperren) bekommen im Gegenzug nach Ablauf einer bestimmten Frist einen Freiflug. AirBaltic plant, sein Loyalty-Programm langfristig zu tokenisieren und die Integration von NFTs als wichtigen Baustein weiter auszubauen. Der CEO hat bereits angekündigt, eine geeignete Tokenomics für das Loyalty-Programm zu entwickeln und auch weiterhin auf NFTs zu setzen, nicht nur im Bereich Loyalty. 

Für Marken könnte die Einbindung von NFTs in ihre bestehenden Loyalty-Programme auch ein erster Schritt in Richtung Web3 darstellen und einen neuen Experimentierraum für diese eröffnen. Bei allen Versuchen und Überlegungen sollte nur berücksichtigt werden, dass es sich bei Blockchains & NFTs um Technologie mit großem Potenzial handelt, die alle Gehversuche genau dokumentieren. Nur weil es ein neuer Raum ist, sollten Marken mit ihrer Reputation nicht leichtfertig umgehen, sondern strategisch genau überlegen, was ihre Ambition und Zielsetzung sind und wie die technologische Einbindung bei der Erreichung dieser helfen soll. Nichtsdestotrotz lohnt sich ein frühes Auseinandersetzen mit den Möglichkeiten dieser Technologie: Loyale Kund:innen wissen durchaus zu schätzen, an frühen Experimenten teilzunehmen, umso lieber, wenn absehbar ist, dass eine frühe Unterstützung auch belohnt werden könnte.  

 

 

 

Wir haben in dieser Blogserie viele Stellschrauben vorgestellt, bei denen wir Innovationspotenzial sehen, damit Unternehmen und Marken Loyalty-Programme an den Markt bringen, die sich in der Kund:innen-Attraktivität und -Relevanz von anderen unterscheiden. So sollte Kund:innen ein intrinsischer Anreiz gegeben werden, an ihnen teilzunehmen. Wenn Sie und Ihr Unternehmen daran interessiert sind, Ihr bestehendes Vorteilsprogramm zu challengen und weiterzuentwickeln oder Sie ein ganz neues Loyalty-System/ -Programm konzipieren und positionieren wollen, dann freuen wir uns auf einen gemeinsamen Austausch. 
 

 

 

Header-Foto: Rodion Kutsaiev via Unsplash