2024 – oder: Das Jahr eins nach ChatGPT – Perspektiven unterschiedlicher TLGG Expert:innen und Disziplinen
Wie wir KI und GenAI nutzen, erleben und bewerten – ein TLGG-Stimmungsbild.
Datum
29.01.2024
Jacques Pense
„Künstliche Intelligenz wird uns Kreative nicht ersetzen. Sie wird uns sehr gut assistieren können, indem sie uns einfache Fleißarbeit abnimmt: von der Visualisierung von Ideen über aufwendige Retuschen bis hin zum Korrekturlesen von Texten.
In Zukunft werden wir unsere Visionen einfacher und kostengünstiger umsetzen. Budgets werden uns weniger einschränken als heute. Das wird es Marken ermöglichen, den Endkonsument:innen noch bessere Experiences zu schaffen.
Aber eines ist sicher: Wenn alle Menschen kreativ werden und ihre Ideen umsetzen können, müssen sich Marken durch kreative Exzellenz von der Mittelmäßigkeit der Masse abheben. Und kreative Exzellenz kann keine künstliche Intelligenz liefern. Das können nur erfahrene Kreative, also Kreativstrategen, Konzepter:innen und Art Kurator:innen.
Unter dieser Prämisse wird der Branchennachwuchs besonders gefordert sein. Neben dem handwerklichen Know-how muss das Fachwissen noch schneller erworben werden, um als Kurator:in die KI führen zu können.“
Anna Meissner
„Im Moment erzeugt KI im Marketing vor allem Überforderung. Auf allen Seiten. Was muss ich nutzen oder muss ich gar nicht? Ist Open Source gut oder schlecht? Wo ist die Kanzlei, die mir das rechtssicher macht? Wie offen sind meine Flanken, wenn ich eine KI mit meinen Daten trainiere? Und überhaupt – welches Projektbudget bezahlt den Spaß? Brauche ich AI-Expert:innen und woher nehmen, wenn nicht stehlen? Ich freue mich hyper auf das Abflachen des Hypes und den Moment, wo wir anfangen, uns die richtigen Fragen zu stellen. Ob es gut ist für die Marke. Ob es einen Mehrwert für die Idee bietet. Ob der Insight bockt, den KI mir vorschlägt. Ich freue mich drauf, wenn nicht mehr jede:r bei LinkedIn plötzlich Expert:in ist und ganz tolle Sachen mit KI macht. Und dann alle so 🙌. Es ist nicht gut, nur weil es Künstliche Intelligenz ist. Aber das wissen wir ja eigentlich alle. Sollten wir nur mal wieder dran denken. Darauf einen Dujardin!“
Florian Zoller
„In meinen fast 20 Jahren in der Beratung hat sich einiges an Wissen und Erfahrung angesammelt. Die Einführung von ChatGPT und anderen generativen KI-Lösungen hat zweifelsohne die Art und Weise, wie ich arbeite, beeinflusst – aber nicht so, wie man es vielleicht erwartet. Ich nutze mittlerweile diverse GenAI Lösungen beinahe täglich. Doch es dient mir nicht dazu, meine Arbeit erledigen zu lassen, sondern vielmehr als eine Art Challenger, Co-Pilot und zusätzliche Perspektive. Beispielsweise bei der Aufwandsschätzung oder bei der Strukturierung komplexer Projekte – Bereiche, in denen ich mir über Jahre eine strukturierte Herangehensweise angeeignet habe. Trotz der Verfügbarkeit von GenAI Lösungen bleibe ich meinem bewährten Ansatz treu. Die Veränderung liegt darin, dass ich meine Ergebnisse nun mit KI-Lösungen abgleiche. Ich hole mir quasi eine Zweitmeinung ein: Habe ich etwas übersehen? Würde ChatGPT einen anderen Weg vorschlagen? Habe ich wichtige Stakeholder nicht bedacht? Wie weit weicht meine Aufwandsschätzung von der einer KI-Lösung ab? Dies mag zunächst nach zusätzlichem Aufwand klingen, doch es ist mehr als das. Es ist für mich eine sinnvolle Kombination aus GenAI-Nutzung und der Absicherung gegen die Gefahr, nicht mehr selbstständig zu denken und kritisch zu hinterfragen. Zu schnell könnte man sonst in die Falle tappen, sich blind auf die Ergebnisse der KI zu verlassen und die Fähigkeit zu verlieren, selbständig und strukturiert über solche Fragestellungen nachzudenken. Ein Beispiel: Ein Kunde stellt eine vermeintlich einfache Anfrage. Ein Chatbot könnte antworten, aber oft weiß der Kunde selbst noch nicht genau, was er braucht. Hier kommt die menschliche Interaktion ins Spiel, das Verständnis für den Kunden, die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen, das eigentliche Problem zu verstehen. Diese Fähigkeiten machen eine:n gute:n Berater:in aus, nicht das bloße Präsentieren von KI-generierten Ergebnissen. Die Herausforderung bei der Nutzung von KI liegt meiner Meinung nach also nicht darin, sie als Ersatz für menschliche Fähigkeiten zu sehen, sondern als Ergänzung. So nutzen wir die Stärken beider Seiten – die Effizienz und Datenverarbeitungsfähigkeiten der KI und das menschliche Urteilsvermögen und die zwischenmenschliche Kompetenz. In diesem Zusammenspiel sehe ich die Zukunft unserer Branche und die Art, wie wir unsere Kunden am besten beraten können.“
Eric Linke
Wir im Performance Marketing sehen in den letzten Monaten und Jahren einen starken Wandel: Die Datengrundlagen für unser Handeln werden durch Datenschutzbestimmungen und technologischen Fortschritt immer schmaler, während die Plattformen ihr Produktportfolio zunehmend automatisieren. Dadurch bekommt das Werbemittel als solches eine immer größere Bedeutung. Und genau an diesem Punkt bietet Generative KI einen starken Mehrwert. Sie bietet uns die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl an Text-Bildkombinationen zu erstellen und gegeneinander zu testen, die vorher so nie möglich gewesen wäre. So bietet die Technologie neben einer sehr starken Personalisierung in der Ansprache zudem die Möglichkeit für uns, direkt aus dem Werbemittel heraus Erkenntnisse abzuleiten – und das in einem Detailgrad, der mit händischer Arbeit nicht möglich wäre. Gespannt bin ich darauf, wie die KI-Technologie das Themenfeld der Reportings verändern wird. Hier hoffe ich auf schlaue und leicht zu integrierende Lösungen, die den Kontext zu den Daten direkt verstehen und Dashboards via Chatinterface sinnvoll ergänzen.
Miruna Turbatu
„Je mehr künstliche Intelligenz die Art verändert, wie Menschen Marken, Produkte, gesellschaftliche Themen wahrnehmen und über diese nachdenken, je komplexer und volatiler die Welt wird, desto wichtiger sind aus meiner Sicht zwischenmenschliche Beziehungen und wertegetriebene, vertrauensbasierte Ökosysteme. Uns ist es wichtig, über das Tagesgeschäft hinaus mit Marken- und Unternehmensverantwortlichen über die neuen Technologien auf kollaborative Art zu reflektieren, wie wir uns noch besser entwickeln können. Spannend ist dabei vor allem, wie wir die neuen Technologien gemeinsam sinnstiftend nutzen können und welche unternehmensstrategischen Prioritäten wir jenseits des ‚Lärms‘ da draußen in den Märkten umsetzen. Je kreativer und kollaborativer diese gemeinsam entwickelten Lösungen sind, desto besser. Die Zusammenarbeit mit kuratierten Netzwerken aus Großunternehmen, dem Mittelstand, Startups, sozialen Innovator:innen, Think Tanks und Künstlerkollektiven sind für uns wichtig, weshalb wir hierfür die Nordturm-Formate auf den Weg gebracht haben.“
Florian Kegel
„Im Jahr 2024 wird künstliche Intelligenz Teil des Arbeitsalltags. Sie wird nicht mehr ‚cool und hip‘, sondern unterstützender Bestandteil unserer Routinen. Am Anfang weiterhin mit viel Zeit, mit Ausprobieren und Testen. Doch schon bald wird sie Teilen des Kommunikations- und Marketingtalltags mehr Zeit für Kreativität und Extras verschaffen. Wir sollten also keine Angst davor haben, sondern uns bewusst an den praktischen und hilfreichen Teilen bedienen.”